Quartalsbericht 2Q2022

Rückblick

Steigende Referenzzinsätze und damit höhere Kapitalkosten haben im jüngsten Berichtszeitraum zu einem Sinneswandel an den Weltbörsen geführt. War das Marktgeschehen zuvor eher von Spekulation geprägt, so rückt nun die Bewertung wieder vermehrt in den Fokus. Scheinbar veraltete Konzepte wie Normalisierung und Rückkehr zum Mittelwert kommen wieder zum Tragen, nachdem sie während der langjährigen lockeren Geldpolitik der führenden Zentralbanken ein Schattendasein fristeten.

Ausblick, Gedanken und Themen

Die Anpassung der Erwartungen an den Märkten entspricht unserem Ansatz

Die Kurse an den Finanzmärkten werden von Zukunftserwartungen bestimmt. Sind die Aussichten gut, steigen sie, und wenn sie sich eintrüben, fallen sie. Jeden Handelstag versuchen die Kommentatoren aufs Neue, die inkrementellen Änderungen der Erwartungen zu erklären. Erheblich weniger Beachtung wird grundsätzlich dem Niveau der Erwartungen beigemessen – obwohl dies letztendlich für ernsthafte Sparerinnen und Sparer von grösserer Bedeutung ist. Für uns ist das Erwartungsniveau jedoch genau das, worum wir uns in unserer täglichen Arbeit kümmern. Dabei ist vor allem von Interesse, ob die Erwartungen bei einem Anlagekandidaten zu einem bestimmten Zeitpunkt (zu) hoch, in etwa richtig oder (zu) niedrig sind. Vereinfacht ausgedrückt: Wir kaufen, wenn die Erwartungen gedämpft sind, und verkaufen, wenn die Erwartungen positiv sind.

Im Lauf der Zeit trägt diese Einstellung ihre Früchte, und das wird gerade in der aktuellen Marktumgebung deutlich sichtbar. Unsere Anteilsinhaberinnen und -inhaber wissen, dass es schon seit vielen Jahren unsere grundlegende Prämisse ist, dass die implizierten Diskontierungssätze bei den Index-Schwergewichten und anderen Unternehmen, die sich im breiten Streubesitz befinden oder gerade in Mode sind, eher (zu) niedrig und die Gewinnspannen eher (zu) hoch sind. Es scheint nun eine Anpassung des Marktverhaltens in Richtung unserer Denkweise stattzufinden. Wenn wir das Kurs/Umsatz-Verhältnis als groben Massstab für die Erwartungen nehmen, beobachten wir einen überproportionalen Rückgang bei den Unternehmen mit den höchsten Bewertungskennzahlen, während sich Portfolios mit einem niedrigen Kurs/Umsatz-Verhältnis wie dem unsrigen als recht stabil erwiesen haben.

Zur Erinnerung: Der Fair Value einer Aktie entspricht allen künftigen Netto-Cashflows an die Aktionäre eines Unternehmens, abgezinst auf den Gegenwartswert. Als Deep-Value-Investoren suchen wir nach günstig zu erwerbenden Aktien von temporär unpopulären Unternehmen. Üblicherweise ergeben sich solche Chancen aufgrund eines schlechten Wachstums- bzw. Cashflow-Generierungsprofil und relativ hoher implizierter Kapitalkosten.

Erstens werden unsere Unternehmen, was die Ertragsprognosen angeht, regelmässig vom Markt vernachlässigt oder gemieden, weil sie wegen ihrer Konjunkturabhängigkeit, Diversifizierung oder ihrer Einstufung als „Old-Economy“ als wenig spannend angesehen werden. Zweitens können im Hinblick auf die Liquiditätsgenerierung und Gewinnspannen viele unserer Unternehmen mit einem erheblichen Abschlag erworben werden, was an strategischen, strukturellen oder betrieblichen Herausforderungen liegt. Dazu gehören zum Beispiel verschiedene Geschäftssparten, die nicht miteinander verbunden sind oder keine spartenübergreifenden Synergien ermöglichen; Klein- oder Familienunternehmen, denen es an Skalenvorteilen oder geographischer Reichweite fehlt; komplexe Bauvorhaben, die oft zu inkongruenten Ertrags- und Aufwandsbuchungen führen; ineffiziente Mittelzuweisung oder Kosten-Missmanagement. Und drittens setzt der Markt bei Unternehmen mit hoher Kapitalbindung, wie es bei den meisten unserer Positionen der Fall ist, relativ hohe Hürden hinsichtlich der erforderlichen Kapitalrendite. Daher legen wir bei unserer konservativen Bewertung deutlich höhere reale Diskontierungssätze zugrunde als die, mit denen in der Niedrigzinsperiode nach der globalen Finanzkrise die Kurse der begehrten, wenig kapitalintensiven Unternehmen begründet wurden.

Aus diesen Gründen ist das Fondsportfolio mit seiner Positionierung im Wesentlichen immer seiner Zeit voraus gewesen: gedämpftes Wachstum und hohe Diskontierungssätze sind für Deep-Value-Investoren permanente Realitäten, während der Markt sich erst jetzt an den Gedanken gewöhnt, dass die Weltwirtschaft durch geringeres Wachstum, höhere Kosten und teurerem Kapital mit Gegenwind zu kämpfen haben könnte. Kurz gesagt, wir sind bereits strukturell so positioniert, dass wir von dem Normalisierungsprozess profitieren können, der sich derzeit auf den globalen Aktienmärkten auswirkt.

Ob die jüngste Abwärtsbewegung bei den populären Aktienindizes ausreicht, um ein realistischeres Erwartungsniveau abzubilden, liegt ausserhalb unseres Kompetenzzirkels und wir überlassen dieses Urteil gerne anderen Marktbeobachtern. Jedoch sind wir überzeugt davon, dass das implizite Erwartungsniveau über das Gesamtportfolio des Fonds hinweg ausgesprochen bescheiden ist. Der wirtschaftliche Druck, diese niedrigen Erwartungen allmählich auf ein angemesseneres Niveau anzuheben, dürfte sich daher im Lauf der Zeit positiv auf die erreichbare zukünftige Rendite auswirken.

Gregor Trachsel

Chief Investment Officer SG Value Partners AG