Quartalsbericht 2Q2021

Rückblick

Im vergangenen Quartal rückte die Frage einer möglichen Rückkehr der Inflation verstärkt in den Vordergrund des Anlegerinteresses. Während die nominellen Renditen von Staatsanleihen innerhalb einer geringen Schwankungsbreite blieben – was der vorherrschenden Einschätzung der Zentralbanken entspricht, dass die inflationären Tendenzen vorübergehender Natur sind – vermeldete man auf den Führungsetagen in praktisch allen Branchen und Regionen einen beunruhigenden Anstieg der Produktionskosten sowie Schwierigkeiten bei der Beschaffung von bestimmten Rohstoffen, Komponenten oder qualifizierten Arbeitskräften. Was Ersteres angeht, so können wir natürlich weder beeinflussen noch vorhersagen, wie sich die Renditen von Staatsanleihen entwickeln. Wir halten es daher für sinnvoller, uns auf Letzteres zu konzentrieren, also die Frage, wie Unternehmen mit ihrer Kostenstruktur umgehen, ob sie entsprechende Preiserhöhungen an ihre Kunden weitergeben können und wie sie auf knappe Ressourcen und Lieferengpässe in ihren jeweiligen Lieferketten reagieren.

Ausblick, Gedanken und Themen

Strukturelle Änderungen begünstigen die Preissetzungsmacht der „Old Economy“

Es ist schon recht lange her – man müsste wohl bis zur Nachkriegszeit des Wiederaufbaus und der Hochkonjunktur in den 1950er und 1960er Jahren zurückgehen – dass sich der industrielle, „greifbare“ Komplex der Weltwirtschaft einer längerfristigen Preissetzungsmacht erfreuen konnte. Damals erzielten hochwertige Industrieerzeugnisse und gut gesteuerte Infrastrukturprojekte insgesamt hohe Gewinnspannen; steigende Inputpreise etwa für Rohstoffe, Produktion und Arbeitskräfte konnten zuverlässig an die Käufer weitergegeben werden.

Wir können uns vorstellen, dass sich in der Weltwirtschaft nun allmählich eine Konstellation herausbildet, die zur Rückkehr zu solchen, bereits in Vergessenheit geratenen Rahmenbedingungen führen könnte. Spielten Infrastrukturausgaben in Fernost immer schon eine wichtige Rolle in der Fiskalpolitik (vor allem in den beiden grössten Volkswirtschaften China und Japan seit den 1980ern bzw. den 1950ern), so scheint man nun auch in den westlichen Industrienationen (angeführt von den USA und einigen Mitgliedern der EU, insbesondere Italien) entschlossen, die Modernisierung des physischen Rückgrats ihrer Volkswirtschaften, wie zum Beispiel Strassen, Eisenbahnen, Häfen oder Brücken, ernsthaft in Angriff zu nehmen.

Darüber hinaus rückt eine andere Art von Infrastrukturausgaben weltweit in den Fokus, die über die Wiederherstellung der in die Jahre gekommenen Kerninfrastruktur hinausgehen. Um bis zur Mitte des Jahrhunderts die im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaziele zu erreichen, oder sich diesen zumindest anzunähern, sind enorme Investitionen in Wind- und Solarenergie, Wasserkraft-, Wasserstoff-, Atomkraft- und andere Energietechnologien erforderlich, die geeignet sind, die CO2-Emissionen zu verringern, einschliesslich der dafür nötigen Stromübertragungs-, Speicherungs- und Verteilsysteme.

Nicht nur wegen höherer Nachfrage, gut gefüllten Auftragsbüchern und steigenden Umsätzen könnte sich die Preissetzungsmacht festigen, sondern auch als Folge des zunehmenden Kostendrucks bei den zugrundeliegenden Inputpreisen (Arbeitskräfte, Rohstoffe, Logistik), der – mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung – an die Abnehmer in der Lieferkette und letztendlich an die Endverbraucher weitergegeben wird.

Wir sind davon überzeugt, dass unser Portfolio von einer solchen Entwicklung stark profitieren würde, denn strukturell ist ein grosser Teil des Fonds in Unternehmen investiert, die in diesen Geschäftsfeldern aktiv sind – sei es direkt oder indirekt. Direkt, weil sie in Industriesektoren wie Grundstoffe, Kapitalgüter, Baugewerbe und Fertigung tätig sind, oder indirekt, über das Angebot von Dienstleistungen wie Handel, Transport, Konstruktion und Versorgung. Nach unserer Einschätzung werden darüber hinaus auch andere kritische Dienstleistungen wie etwa massgeschneiderte Kredit- und Darlehensvereinbarungen, die bekanntlich das Kernelement des Firmenkundengeschäfts von Banken darstellen, wieder mehr Preissetzungsmacht gewinnen als dies in der jüngeren Vergangenheit der Fall war. Schliesslich dürften zahlreiche sehr komplexe und kapitalintensive Infrastrukturprojekte nur durch Public-Private-Partnership-Strukturen zu realisieren sein, und für diese sind umfassende Kenntnisse über Kreditvermittlung und -vergabe unerlässlich.

Wir sind daher extrem zuversichtlich, was die langfristige Positionierung unserer Portfoliounternehmen in den vorgenannten Bereichen angeht. Die Aussicht auf eine stärkere Preissetzungsmacht verspricht letztendlich höhere Gewinnspannen. Diese Dynamik kann wiederum eine reale Chance eröffnen, dass es bei Kapitalallokatoren zu einem graduellen, aber spürbaren Überdenken des allgemeinen Anlagegebarens kommt. Dies wäre dann eine ernstzunehmende Alternative oder zumindest eine Ergänzung zur Investition in die populären Index-Schwergewichte aus Sektoren wie Basiskonsumgüter, Gesundheitswesen, Hochtechnologie und neue Medien, die in den vergangenen Jahrzehnten die Schlagzeilen dominierten.

Freundlichen Grüsse,

Gregor Trachsel,
Chief Investment Officer SG Value Partners AG