The trend is not our friend

CIO Insights 1Q2023

Als objektiver Beobachter darf man konstatieren, dass der weitaus grösste Teil des Geldes, das auf den Finanzmärkten ein Zuhause sucht, vermutlich den Weg des geringsten Widerstands geht. Auf dem Aktienmarkt bedeutet dies üblicherweise, dass investierbares Kapital in scheinbar “sichere” Länder und Sektoren fliesst, d.h. in die Märkte mit dem grössten Volumen an leicht handelbaren Aktien und in Unternehmen, deren Kursentwicklung einen soliden Aufwärtstrend aufweisen. Häufig, und dies gilt besonders in Zeiten von Marktspannungen, bleibt dabei das Verhältnis zwischen dem zu zahlenden Preis und dem erworbenen Gegenwert völlig unberücksichtigt. Dafür gibt es unserer Einschätzung nach zahlreiche Gründe, die hauptsächlich sozioökonomischen und strukturellen Einflussfaktoren zuzuschreiben sind.

Es gehört zum natürlichen Verhalten des Menschen Trends zu erkennen und ihnen zu folgen, um nicht aussen vor zu bleiben. Sowohl aus Notwendigkeit als auch aus Bequemlichkeit streben wir danach einer grösseren Gemeinschaft anzugehören, um Geborgenheit, Unterstützung, Schutz und Chancen zu finden. Weniger philosophisch betrachtet, gibt es unserer Ansicht nach hauptsächlich drei technische Triebkräfte, welche Entscheidungsträger auf den Weg des geringsten Widerstands führen. Die erste bezieht sich auf die Konstruktion von ökonomischen Modellen. Beim Versuch, die zukünftige Entwicklung von Zeitreihen vorherzusagen, ist die Extrapolation eher die Norm und andere Muster – wie beispielsweise die Rückkehr zum Mittelwert – die Ausnahme. Es ist zweifelsohne erheblich einfacher, einen Trend zu erkennen und zu behaupten, dass er sich fortsetzt, als eine Trendumkehr zu vermuten. Die zweite Kraft hängt mit der modernen Marktdynamik zusammen. Passive Anlageprogramme und ‑produkte machen heute den grössten Teil der inkrementellen Geldströme aus. Die Mechanismen dieser Instrumente sind so konzipiert, dass das Geld in Unternehmen mit der grössten Marktkapitalisierung fliesst, was wiederum eine direkte Folge eines deutlichen vorherigen Kursanstiegs ist. Und drittens ist man in der Börsenmaklerbranche stark darauf ausgerichtet, Aktien zu empfehlen, deren Kurse in der jüngsten Zeit gut gelaufen sind.

Um die obige Diskussion zusammenzufassen: Wenn es darum geht, Geld in börsennotierte Aktien zu investieren, gilt es gemeinhin als "sicher", sich an den Konsens zu halten, und als "riskant", von ihm abzuweichen. Das Problem bei diesem Verhalten ist allerdings, dass dabei das rationale ökonomische Abwägen zwischen bezahltem Kurs und erhaltenem Wert verloren geht. Denn wer nur auf Sicherheit setzt, muss manchmal einen hohen Preis bezahlen. Um ein aktuelles Beispiel aus den Märkten für festverzinsliche Wertpapiere aufzugreifen: Langlaufende Staatsanleihen von erstklassigen Emittenten gelten allgemein als sichere Anlage. Aber seit etwa zwei Jahren haben sie sich als ziemlich kostspielige Portfoliobestandteile erwiesen, nachdem sich abzeichnete, dass die Zinssätze als Folge der zunehmenden Inflation steigen würden.

Umgekehrt kann ein Risiko als attraktiv beurteilt werden, wenn es vom vorherrschenden Konsens überschätzt wird. Es ist sowohl unsere Überzeugung als auch unsere berufliche Pflicht gegenüber unseren Kunden, diesen Ansatz zu verfolgen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, proaktiv und konstruktiv über Risiken nachzudenken und sie als potenzielle Chance zu begreifen, wenn wir glauben, dass sie zu einem übermässigen Kursabschlag geführt haben. Wenn wir uns die Implikationen für die aktuelle Anlagepositionierung ansehen, so haben die konventionell denkenden Anleger vor allem auf „sichere“, aber vielleicht teure Themen wie Hightech, Gesundheitswesen und Basiskonsumgüter gesetzt. Im Gegensatz dazu bevorzugen wir vermeintlich "riskante", aber potenziell preiswerte Sektoren, die in den grossen Aktienindizes nicht prominent vertreten sind. Hierzu gehören Investitionsgüter, Industriewerte und Materialien sowie Dienstleistungen mit hoher Kapitalbindung wie Logistik, Versorgung, Telekommunikation und Geschäftsbanken. Unsere sorgfältige Beurteilung und die konservative Bewertung ausgewählter Unternehmen in diesen Bereichen legen den Schluss nahe, dass deren Aktien vom Markt zu tief gepreist werden, weil diese Wirtschaftszweige als rezessionsanfällig und kapitalintensiv gelten und diese Papiere daher ungerechterweise als „minderwertig“ angesehen werden.

Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Das grundlegende Konzept bei der wertorientierten Anlage ist die Sicherheitsmarge – die Differenz zwischen dem Preis, den wir zu zahlen bereit sind, und dem Gegenwert, den wir dafür erhalten. Dieser Orientierungspunkt hilft uns dabei, nicht in die „sicher, aber teuer“-Falle zu tappen. Und deshalb folgen wir auch nicht der allseits bekannten Börsenweisheit „The trend is your friend“. Wir mögen nicht zu den Marktteilnehmern gehören, die gerade „in“ sind. Wir sehen in unserer eigenen Form des Deep-Value-Investing vielmehr ein zeitloses Handwerk, das sich zu betreiben lohnt. Unsere Anleger wissen es zu schätzen und vertrauen darauf, dass sie durch unseren Ansatz im Kontext ihrer gesamten Anlageprogramme einen komplementären und diversifizierenden Effekt hinzugewinnen.

Mit freundlichen Grüssen

Gregor Trachsel

Chief Investment Officer SG Value Partners AG