Die Relevanz von Deep-Value-Investing in der modernen Wirtschaft

CIO Insights 2Q2020

Rund um den Globus lockern die Zentralbanken die geldpolitischen Zügel immer weiter. Die daraus resultierende Liquidität fliesst weiterhin in die üblichen Favoriten der New Economy wie Hightech, Social Media, Fintech und Biotech. Gleichzeitig werden Sektoren der sogenannten «Old Economy», das heisst kapitalintensive Branchen wie Maschinenbau und Investitionsgüter, Fertigung, Logistik und Transportwesen, Energie, Strom, Telekommunikation und grundlegende Finanzdienste, weiterhin vernachlässigt. Es scheint, als hätten zahlreiche Anleger diese Branchen aufgegeben und setzten alles auf die Karte der digitalen und virtuellen Welt.

In der derzeitigen Situation stellt sich natürlich die Frage, ob die Old Economy schrittweise irrelevant geworden ist. Unsere Antwort lautet aus logischen Gründen eindeutig «Nein». Die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse wie Nahrung, Schutz und Kleidung können weder digitalisiert noch virtualisiert werden. Logistik- und Transportleistungen können ohne physische Mittel wie Schiffe, Flugzeuge, Züge, Lastwagen und Autos nicht erbracht werden. Für die Telekommunikation braucht es Glasfaserleitungen, Kupferdrähte und Sendemasten, die zwischen den Kontinenten über gewaltige Seekabel miteinander verbunden sind. Energie und Elektrizität, einschliesslich «grünem Strom», stammen letztendlich von natürlichen Ressourcen und müssen über ein komplexes Infrastrukturnetz beschafft, erzeugt und verteilt werden. Und wie die Folgen der jüngsten Lockdownmassnahmen gezeigt haben, kommt selbst die moderne Finanzwirtschaft nicht ohne traditionelle Banken- und Versicherungsdienstleistungen aus.

Warum also hält sich dieser gefühlte Gegensatz zwischen Old und New Economy, der sich in den letzten zwölf Jahren in extremen Bewertungsdiskrepanzen manifestiert hat, so hartnäckig? Die Gründe sind vielfältig und diskutierbar. Letztlich folgen die Anleger bei ihrer Auswahl jedoch in der Regel dem Weg des geringsten Widerstands. Das heisst: zusätzliche Liquidität strömt in die Bereiche, die den schnellsten Gewinn und die offensichtlichsten Wachstumsaussichten versprechen. Solange die derzeitige Geldmarktsituation (vernachlässigbare Zinsen und unbegrenzte Liquidität durch die Zentralbanken) andauert, wird auch dieses Verhaltensmuster bestehen bleiben. Das Entscheidende dabei ist, sich darüber klar zu sein, dass bei diesem Weg des geringsten Widerstands die Bewertung nicht berücksichtigt wird. Der Markt stellt lediglich einen Kanal für die Liquiditätsallokation bereit, nicht aber einen Bewertungsmechanismus. Mathematik und Finanztheorie allein sind nicht geeignet, uns eine Antwort darauf zu geben, wie «Wachstum» korrekt zu bewerten ist. Da sich die Leitzinsen um Null herum bewegen, wird bei der Bewertung von «Wachstum» rein rechnerisch ein nahezu unendlicher Wert approximiert. Somit fehlt es den Finanzmärkten an einem inhärenten oder selbst auferlegten Kontrollmechanismus dafür, was bei der Bewertung von Aktien Sinn macht und was nicht. Dies zu beurteilen ist Aufgabe jedes einzelnen Akteurs, der aus freiem Willen am Markt teilnimmt. Er muss in der Lage sein, durch Sorgfalt und logisches Denken zu wirtschaftlich rationalen Schlussfolgerungen zu gelangen. 

Und hier kommt der Deep-Value-Ansatz, wie wir ihn praktizieren, ins Spiel. Um noch einmal zu wiederholen, was wir bereits bei früheren Gelegenheiten erwähnt haben, die «Hurdle Rate» (der Diskontierungssatz, durch den alle zukünftigen Cashflows als Barwert ausgedrückt werden), die wir bei der Bewertung von Unternehmen ansetzen, wird letztendlich eine strukturelle Untergrenze erreichen. Anders ausgedrückt: wir setzen bewusst einen Mindestschwellenwert an, wenn wir zukünftige Cashflows diskontieren. Im Ergebnis bedeutet dies, dass wir weniger für zukünftiges Wachstumspotenzial zu zahlen gewillt sind, als wenn wir den Marktpreisen der bekannten Glamour-Aktien trauen würden. Derweil können die unauffälligeren Aktien der Unternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden, günstig erworben werden, weil ihre Bewertung aufgrund der inhärenten Zyklizität und Unsicherheit anspruchsvoller ist. Daher legen wir weiterhin hauptsächlich in diesen unterbewerteten und günstigen Bereichen an. Wir warten geduldig, bis sich das Zinsniveau einem wirtschaftlich besser vertretbaren Niveau annähert. Dies ist der Moment, an dem sich unsere Art des Investierens auszahlen wird und der Anlageansatz in der breiteren Investorengemeinde wieder auf Anklang stossen wird.

Allerdings wissen wir nicht, wann es so weit sein wird. Aber was unsere loyalen Kunden und wir sagen können, ist, dass diese eiserne Geduld und Disziplin über die Zeit belohnt wird.

Mit freundlichen Grüssen

Gregor Trachsel

Chief Investment Officer SG Value Partners AG