Wer bei der Anlagenauswahl ausschliesslich nach dem Bottom-up-Prinzip verfährt, so wie wir es tun, der dürfte ein Portfolio erhalten, das sehr stark von demjenigen eines Investors abweicht, der seine Allozierungen nach einem gesamtwirtschaftlich orientierten Top-down-Verfahren vornimmt. Dies trifft mit Sicherheit auf unsere Fonds zu. Was etwa die geografische Verteilung anbelangt, erfolgen die Investitionen im aktuellen Portfolio unkonventionell zu einem prominenten Teil in Unternehmen aus Japan, Italien und Brasilien. Dieses Engagement steht in auffälligem Kontrast zur weltweiten Gewichtung der Aktienmarktkapitalisierung, welche natürlich hauptsächlich von den USA bestimmt wird. Per Ende 2016 entfiel deutlich über die Hälfte der globalen Marktkapitalisierung auf die USA.
In diesem Kontext ist es interessant, einen Blick in die Geschichte zu werfen und sich die beeindruckenden Daten anzusehen, die von den Professoren Dimson, Marsh und Staunton (DMS) zusammengetragen und im Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook 2017 veröffentlicht wurden. Diese Daten beginnen Ende 1899. Damals machten Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich mit 25 % den grössten Teil der Marktkapitalisierung aus, gefolgt von den Unternehmen aus den USA (15 %), Deutschland (13 %), Frankreich (11,5 %), Russland (6,1 %) und Österreich-Ungarn (5,2 %). Wenn man nun mit einer typischen kapitalisierungsgewichteten, indexorientierten Strategie investiert – und dies ist heutzutage die Standardstrategie der Mehrheit der Anleger – dann ergeben sich einige offenkundige Fragen. Nehmen wir an, jemand wäre Anfang des 20. Jahrhunderts nach diesem Top-down-Prinzip vorgegangen und hätte sein Portfolio entsprechend zusammengestellt. Zugegeben, die anfänglichen 15 % des Portfolios, die in US-amerikanischen Papieren angelegt waren, mögen i weiteren Verlauf des Jahrhunderts einen sehr vorteilhaften Beitrag zur gesamten Performance geleistet haben. Aber angesichts dessen, was wir heute über den Weg wissen, den die anderen damals prominenten Kapitalmärkte in den folgenden Jahrzehnten genommen haben, würde eine solche Portfoliostrukturierung im Rückblick sicherlich als negativ bezeichnet werden.
Eine zweite ebenso bemerkenswerte Erkenntnis, die sich aus der Betrachtung dieser Daten gewinnen lässt, betrifft die Industriesektoren. Wenn man eine ähnliche indexorientierte Top-down-Strategie wie oben verfolgt und Ende 1899 die USA als repräsentativen Massstab genutzt hätte, dann wäre das Portfoliovermögen schwerpunktmässig in Eisenbahnwerten, Finanztiteln sowie Eisen-, Kohle- Stahl- und anderen Schwerindustrieunternehmen angelegt worden. Heute sieht die US-Wirtschaft dagegen ganz anders aus und wird von Technologie- und Healthcare-Unternehmen dominiert. Tatsächlich haben sich nur sehr wenige wesentliche Sektoren wie Finanzdienstleistungen und bestimmte Basiskonsumgütersektoren ihre relative Bedeutung bis heute erhalten können. In ihrer Untersuchung stellen DMS fest, dass «unter Börsengesichtspunkten der Eisenbahnsektor in der Zeit seit 1900 der am stärksten schrumpfende Industriezweig war.» Noch faszinierender ist allerdings, dass ihre Daten auch zeigen, dass über die letzten 117 Jahre die Entwicklung der Eisenbahnaktien über dem US-Börsendurchschnitt lag und diese Werte besser abschnitten als die Aktien der Transportunternehmen und Fluglinien, die sich in den 1920er und 1930er Jahren als neue Branchen etablierten. Eine mögliche Erklärung könnte nach Ansicht der Autoren darin liegen, dass «die Anleger neuen Technologien anfänglich einen zu hohen Wert beigemessen haben, so dass die neuen überbewertet und die alten unterbewertet wurden.»
Genau dieses Phänomen wollen wir uns zunutze machen, indem wir einen Deep-Value-Anlagenansatz verfolgen. Ein Beispiel zur Illustration: Der Fonds ist mehrheitlich in Titel aus den Sektoren Industrie-, Rohstoff-und Nicht-Basiskonsumgüter investiert (wobei letztere auch traditionelle Medien wie Zeitungen, Bücher, TV und Musik enthalten). Heute werden diese Sektoren in der Regel zur so genannten «Old Economy» gezählt und gelten bei den Anlegern als langweilig, weil sie nur niedriges Wachstumspotenzial aufweisen. Aber genau wegen dieser Geringschätzung sind sie zeitweise stark unterbewertet.
Welches Fazit ziehen wir aus dieser Studie? Erstens, rückblickend ist mit einer Länderallokation nach Topdown-und marktkapitalisierungsgewichtetem Indexverfahren ein Risiko verbunden, zumal die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes überraschende Wendungen nehmen kann. Und zweitens scheint auf industrieller Ebene die Wertschöpfung über einen langen Zeithorizont betrachtet grössere Bedeutung zuerkannt zu werden als dem Gesamtwachstum, sofern das Anlageziel in der Generierung solider Erträge liegt. Hauptargument für diese Sichtweise ist, dass ein hohes Wachstum per se die Anlagenergebnisse schmälern kann, wenn man dafür überbezahlt. Wir sind der Überzeugung, dass hinsichtlich beider Aspekte unsere strikte Bottom-up-Perspektive des Anlageuniversums dazu beiträgt, diese potenziellen Risiken zu vermeiden.
Mit freundlichen Grüssen
Gregor Trachsel
Chief Investment Officer SG Value Partners AG