Regierungen und politische Entscheidungsträger weltweit befinden sich derzeit in einer wenig beneidenswerten Lage. Zum einen stehen sie unter zunehmendem Druck, effektivere Lösungen für andauernde sozioökonomische Problembereiche wie Gesundheit, Bildung, Altersvorsorge und öffentliche Sicherheit zu präsentieren. Aber wohin die Reise gehen soll, ist bekanntermassen schwer zu fassen, denn im Zuge der politischen oder ideologischen Zyklen kommt es in diesen Bereichen immer wieder zu erheblichen Verschiebungen. Andererseits gab es im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts weitreichende Entwicklungen und Ereignisse, durch die eine Reihe strategischer und politischer Themen in den Vordergrund gerückt sind, die vermutlich etwas besser analysiert werden können. Hierzu gehören Ressourcenknappheit (z.B. bei Mineralien, Metallen, Wasser und landwirtschaftlichen Erzeugnissen), Umwelt (Naturkatastrophen, Umweltverschmutzung usw.), öffentliche Infrastruktur (z.B. Strassen, Brücken, öffentliche Verkehrsmittel, Elektrizität und Abwasserentsorgung) und Verteidigung (nationale und internationale Cyber- und militärische Sicherheit).
Während sich die Gesellschaft im Grossen und Ganzen dieser Herausforderungen bewusst ist, scheinen die Aktienanleger regelmässig überrascht und irritiert zu sein, wenn Regierungen bei der Festlegung ihrer wirtschaftspolitischen Agenda vermeintlich in „schwerfälliger“ Manier vorgehen. Wir dagegen sind davon überzeugt, dass Modelle wie öffentlich-private Partnerschaften (Public-Private Partnerships) und regelbasierte Anreizprogramme durchaus effektive Mittel sein können, um grosse staatliche Investitionsprogramme zu realisieren. Fakt ist: Ungeachtet der mit ihnen verbundenen Komplexitäten und Herausforderungen waren staatliche Lenkungs- und Verbesserungsprogramme in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Bergbau, Energie oder Sicherheit in den meisten Ländern immer schon eher die Regel als die Ausnahme.
Wie wir schon vielfach erläutert haben, betrachten wir bei der Aktienauswahl bevorzugt Branchen und Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen bereitstellen, die für eine prosperierende und gut funktionierende Wirtschaft unverzichtbar sind. Vielleicht ist dies ein Grund dafür, dass wir oft gerade dort fündig werden, wo sich staatliche Massnahmen positiv auf die Ergebnisse der Unternehmen auswirken – ohne dass wir jemals versuchen, in einem Top-Down-Prozess die Gewinner auszuwählen. So gehören zum Portfolio beispielsweise Unternehmen aus der gesamten Lieferkette für landwirtschaftliche Grunderzeugnisse, welche für eine langfristige Sicherung der Lebensmittelversorgung der jeweiligen Staaten erforderlich sind. Wir halten Anteile an Pumpenherstellern, zu deren Kunden Entsalzungsanlagen gehören, die von einigen Regierungen finanziert werden, um der Trinkwasserknappheit zu begegnen. Wir haben in Kupfererzeuger und -verarbeiter investiert, die den landesweiten Netzausbau von erneuerbaren Energien und digitaler Kommunikation ermöglichen. Wir sind an der Erzeugung und dem Vertrieb von Biokraftstoffen beteiligt, die der Transportwirtschaft helfen, staatliche Vorgaben zur CO2-Reduzierung zu erfüllen. Wir halten Anteile an Bauunternehmungen, die öffentliche Grossprojekte wie Dämme, Strassen, Eisenbahnen und Brücken planen und ausführen, um veraltete Infrastruktur zu ersetzen oder zu sanieren. Und wir waren bereits an Unternehmen beteiligt, welche Produkte und Dienstleistungen für den Verteidigungssektor und den nationalen Sicherheitsapparat bereitstellen, lange bevor einigen Ländern plötzlich klar wurde, dass sie dieses Thema jahrzehntelang zu Unrecht vernachlässigt hatten.
Neben der Beteiligung an rein privatwirtschaftlichen Unternehmen, welche Aufträge aus staatlichen Investitionsprogrammen erhalten, agieren wir manchmal auch als „Partner“ von Regierungen, indem wir Anteile an sogenannten „National Champions“ halten. Häufig handelt es sich dabei um etablierte Anbieter in kritischen Sektoren wie Energie & Rohstoffe, Versorgung, Telekommunikation und Verteidigung, an denen eine Regierung oder eine mit der Regierung verbundene Institution eine Mehrheitsbeteiligung oder zumindest eine „goldene Aktie“ mit Vetorecht hält. Viele Anleger mögen derartige Arrangements nicht. Aber in einigen Fällen unterstützen sie unsere Anlagethese, weil sie grundlegende Vorteile bieten. Diese umfassen strategische Planungssicherheit, sowie bevorzugten Zugang zu Lieferanten, Käufern und Finanzierungsquellen.
Staatliche Eingriffe in die Privatwirtschaft werden seit jeher kontrovers diskutiert. Aber in gewissem Umfang sind sie unvermeidlich und manchmal sogar erforderlich. Mehr noch: Die weltweit zunehmenden geoökonomischen Massnahmen deuten darauf hin, dass sich diese Vermischung in Zukunft wahrscheinlich noch intensivieren wird. Wir als Unternehmensanalysten, die sich vor allem auf mikroökonomische Aspekte konzentrieren, müssen mit diesen Rahmenbedingungen proaktiv umgehen. Dank einiger der oben angesprochenen pragmatischen Überlegungen haben sich unsere Anlageergebnisse im öffentlichkeitspolitischen Kontext langfristig insgesamt als sehr positiv erwiesen.
Freundliche Grüsse
Gregor Trachsel
Chief Investment Officer SG Value Partners AG