Renditeerwartungen müssen auf den Realitätsprüfstand

CIO Insights 2Q2025

In unserem vierteljährlichen CIO-Bericht vor genau 20 Jahren vertraten wir die Meinung, dass die Zinsen in den entwickelten Ländern – und damit der Abzinsungssatz für die Bewertung von Vermögenswerten wie Aktien – angesichts der damals bekannten zukünftigen wirtschaftlichen Risiken zu niedrig seien. Heute liegt die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen, dem weltweit wichtigsten langfristigen Vergleichsmassstab, tatsächlich geringfügig höher als Mitte 2005. Damals konnten wir jedoch nicht wissen, dass die Zentralbanken weltweit im Laufe dieser beiden Jahrzehnte gezwungen waren, die Zinsen auf ein erheblich niedrigeres Niveau zu senken. Dies, um auf die massiven Verwerfungen zu reagieren, die durch Krisen wie die US-Subprime-Krise (2007/8), die europäische Schuldenkrise (2011/12) und die Covid-19-Pandemie (2020/21) entstanden. Aber auch heute, nach der Erholung der nominellen Renditen in den letzten drei Jahren, sind wir weiterhin der Ansicht, dass sich die vom Markt implizierten Diskontierungssätze auf einem zu optimistischen Niveau bewegen.

Der erste Grund dafür betrifft die sogenannt „risikolose“ Zinskomponente des Diskontsatzes. Dieser wird von der erwarteten Inflation und den Realzinsen beeinflusst. Letztere haben sich von ihren historischen Tiefständen erholt (in einer gesunden Wirtschaft sollten sich diese durchschnittlich zwischen 1 und 2% bewegen). Aber hier sollte man die jüngste Renaissance von Zöllen als Instrument der Aussenpolitik im Blick haben. Für manche deutet sie darauf hin, dass der „globale Dollar“ – die Nutzung des US-Dollars als weltweit bevorzugte Reservewährung – künftig nicht mehr unumstritten sein wird. Wenn die ausländische Nachfrage nach US-Staatsanleihen zurückgeht, mag dies letztendlich zu einem Aufwärtsdruck auf die realen US-Renditen führen. Was die Inflation betrifft, so geht der Markt davon aus, dass ihr Wiederauftreten in den letzten vier Jahren weitgehend eingedämmt wurde. Wir sind da nicht so sicher. Zum einen wird der enorme Investitionsbedarf in Bereichen wie erneuerbare Energien, Gesundheitswesen, Verteidigung und Infrastruktur den Regierungen die Möglichkeit nehmen, ihre stetig weiter steigende Verschuldung im Zaum zu halten. Für staatliche Emittenten ist die Inflation bekanntlich die bequemste Methode, um ihre Schuldenlast bewältigen zu können. Hinzu kommt, dass die anhaltenden Neuordnungen der Lieferketten vor dem Hintergrund von Zöllen und dem Reshoring, also der Rückverlagerung von Produktionsstätten, sowie Arbeitskräftemangel und steigende Rohstoffkosten ebenfalls nicht dazu beitragen, die Inflation einzudämmen.

Die zweite Komponente der Renditeerwartungen von Aktien ist der Preis des über die „risikolose“ Rendite hinausgehenden verbleibenden Risikos. Hier muss unterschieden werden zwischen dem systematischen und idiosynkratischen (diversifizierbaren) Risiko. Wir gehen davon aus, dass das systematische Risiko inzwischen unterschätzt wird. Hier könnte der sogenannte „finanzielle Verdrängungseffekt“ eine Rolle spielen. Das bedeutet, dass festverzinsliche Werte wie Staatsanleihen an ihrer Attraktivität als natürliches Diversifikationsobjekt verloren haben, weil sie während eines Grossteils der letzten anderthalb Jahrzehnte eher niedrige Renditen abwarfen. Viele Sparer, die nicht ausdrücklich eine ausgewogene Portfoliostrategie verfolgen, haben sich daher allmählich entschieden, vermehrt auf Aktien zu setzen. Ein grosser Teil dieses Geldes floss daraufhin in die Index-Schwergewichte, was deren Bewertung immer weiter steigen liess. Sowohl theoretische Überlegungen als auch der gesunde Menschenverstand würden erwarten lassen, dass die Anleger nach Zeiten überdurchschnittlich hohen Erträgen ihre Erwartungen an die Zukunft zurückschrauben würden. Aber das ist nicht das, was die meisten Anleger tun. Stattdessen fühlen sie sich dazu ermutigt, die jüngsten Trends zu extrapolieren und laufen somit Gefahr, mit überhöhten künftigen Renditen zu rechnen.

Glücklicherweise sind in unserem Deep-Value-Ansatz zwei Mechanismen eingebaut, welche uns nicht in diese Verhaltensfalle führen. Erstens zeigt die Erfahrung, dass der typische Aktienbestand in unserem Investmentprogramm eine Tendenz zur Rückkehr zum Mittelwert hat. Folglich sieht unser Portfoliomanagementprozess vor, Aktien zu verkaufen, deren Kurse gestiegen sind, weil sie sich ihrem inneren Wert angenähert haben. Umgekehrt kaufen wir mehr von den Aktien, deren Kurs gefallen ist, um unseren durchschnittlichen Einstandspreis zu verringern. Diese disziplinierte Adjustierung sollte das erwartete langfristige Ertragsprofil für das Gesamtportfolio wieder herstellen. Zweitens werden die Renditeerwartungen von unseren Portfoliounternehmen infolge von temporär tiefen Erträgen vom Markt oft erst einmal in Frage gestellt. Um das angenommene erhöhte idiosynkratische Risiko zu berücksichtigen, legt der Markt für diese Unternehmen eine relativ hohe Hürde hinsichtlich der Eigenkapitalkosten fest. In dieser Hinsicht geht unser Ansatz dem Markt voraus, da unser Bewertungsprozess bereits höhere Diskontsätze integriert.

Rückblickend betrachtet fühlte sich eine Investition in den Aktienmarkt während der vier Jahrzehnte zwischen 1982 und 2022 wie ein „Spaziergang“ an - es genügte, einfach einen Indexfonds zu kaufen und „die Sache zu vergessen“. Die beispiellose Aktienperformance in diesem Zeitraum ist jedoch zu einem guten Teil sinkenden Diskontsätzen zu verdanken. Dies wird sich in absehbarer Zeit nicht wiederholen. Wir sind hingegen davon überzeugt, dass unsere Portfoliomanagement- und Bewertungsverfahren gut darauf eingestellt sind, mit den Auswirkungen in all ihren Facetten konstruktiv umzugehen.

Freundliche Grüsse

Gregor Trachsel

Chief Investment Officer SG Value Partners AG