Bei unserer Firmenauswahl setzen wir unser Augenmerk nie auf bestimmte Anzeichen, welche renditesteigernde M&A-Deals zufolge haben könnten. Der Hauptgrund dafür ist, dass mögliche Fusionen und Übernahmen im Fokus vieler Marktteilnehmer stehen und somit davon auszugehen ist, dass sich dieses Interesse im aktuellen Kurs des jeweiligen Assets widerspiegelt. Dennoch kommt es tatsächlich bei unseren Beteiligungen recht häufig zu unerwarteten Ereignissen wie Zusammenschlüssen, Übernahmen, Spin-Offs, Carve-Outs, Joint Ventures oder Going Privates, durch die zusätzlicher Wert geschaffen werden kann. Anscheinend gleicht unser Blickwinkel als Deep-Value-Investor demjenigen eines Industriellen, welcher nach einer betriebsfinanziellen Transaktion Ausschau hält.
Im Laufe der Jahre haben sich bei M&A-Deals vier Grundmuster ergeben, die diesen Effekt erklären können. Erstens erhöht unsere Vorliebe für Konglomerate und diversifizierte Unternehmen die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Geschäftsbereiche früher oder später im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung verkauft oder ausgegliedert wird. Wenn beispielsweise ein Unternehmen einen nicht zum Kerngeschäft gehörenden Geschäftsbereich zu einem attraktiven Preis an einen Mitbewerber verkauft, der sich von diesem Kauf Synergieeffekte verspricht, dann ist das üblicherweise eine Win-Win-Situation für beide beteiligten Parteien – und damit auch vorteilhaft für uns als Aktionäre.
Zweitens sind unsere konjunktursensitiven Portfoliounternehmen mit hoher Kapitalbindung immer bestrebt, ihre Betriebs- und Kapitaleffizienz zu steigern, um schwierige Zeiten besser durchstehen zu können. Eine Möglichkeit dies zu erreichen, besteht im Zusammenschluss mit einem Mitbewerber oder einem strategischen Partner. Konkret kommt es bei unseren Beteiligungen in der Materialförderung und -verarbeitung immer wieder zu derartigen Deals, wenn ein bestimmter Rohstoffmarkt eine längere Kontraktionsphase hinter sich hat. Als Schnäppchenjäger spezialisieren wir uns bekanntlich auf den Erwerb oder Zukauf von Aktien in zyklischen Tiefphasen. Deshalb können wir von solchen Unternehmenszusammenschlüssen profitieren, wenn es im Anschluss daran zu einer Neubewertung der Aktie kommt.
Drittens verfügen viele unserer Holdings unter Familienkontrolle zwar über substanzielle Vermögenswerte, aber ihre Barmittel sind nicht selten begrenzt. Häufig besitzen sie sehr wertvolle Aktiva, etwa in Form von begehrten Markennamen oder Immobilien an bester Lage. Folglich verkaufen sie manchmal derartige Vermögenswerte, wenn sie Kapital beschaffen müssen oder einfach nur eine günstige Gelegenheit nutzen wollen, um verborgene Werte zu Geld zu machen. Vermögenswerte dieser Art werden in den Büchern üblicherweise zu Anschaffungskosten geführt. Ein Verkauf kann daher erhebliche ausserordentliche Erträge generieren, die häufig in Form einer Sonderdividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden.
Und viertens führt die Tatsache, dass unser Fonds überwiegend in Unternehmen investiert ist, bei denen Grossaktionäre eine beherrschende Rolle spielen, oft zu einem Going Private. Im Laufe der Zeit sind bei mehreren unserer Firmen Minderheitsaktionäre aus verschiedenen Gründen ausgekauft worden – sei dies, weil man der Ansicht war, dass die Vorteile eines Börsenlistings nicht ausreichen, um die damit verbundenen Anforderungen und Kosten zu rechtfertigen, weil die Mehrheitsbesitzer mit besseren zukünftigen Ertragsströmen rechneten und als Alleininhaber davon profitieren wollten oder weil man mit einem Squeeze-out unbequeme Kleinaktionäre loswerden wollte. In derartigen Fällen wird üblicherweise ein erheblicher Aufschlag auf den letzten Aktienkurs angeboten, um das Angebot attraktiv genug für einen erfolgreichen Abschluss zu machen.
Insgesamt lassen sich drei verschiedene Auswirkungen der hier beschriebenen Unternehmensereignisse auf das Portfolio beobachten: (1) der Aktienkurs steigt aufgrund positiver Nachrichten; (2) die Märkte bewerten den zugrundeliegenden oder Transaktionswert des Unternehmens höher, selbst wenn kein unmittelbarer Deal zustande kommt; und (3) ein potenzieller Mittelzufluss – über ein Barangebot oder eine Dividende – versetzt uns in die Lage, Kapital in neue Anlageideen zu investieren. In einigen wenigen Fällen ist es auch schon vorgekommen, dass ein Unternehmen ein Barübernahmeangebot angenommen hat, das unter unserem durchschnittlichen Einstandspreis bzw. unter unserer konservativen Schätzung des inneren Werts lag. Diese Möglichkeit besteht immer, aber als passive Minderheitsaktionäre in substanzorientierten Investments müssen wir dies akzeptieren und damit umgehen können.
Die meisten wissenschaftlichen Studien kommen zum Schluss, dass Fusionen und Übernahmen im Durchschnitt nicht zu einer Wertsteigerung führen, ja oft sogar Wert vernichten. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Preissensibilität bei einer geplanten Transaktion oft eine untergeordnete Rolle spielt. In unserem Fall haben Fusionen und Übernahmen allerdings netto zu positiven Ergebnissen für den Fonds geführt. Wir schreiben diese Erfahrung der Tatsache zu, dass wir im Durchschnitt günstig genug kaufen, bevor sich ein möglicher Deal abzeichnet. Kurz gesagt: Die Disziplin in unterbewertete Unternehmen zu investieren, sollte sich für passive Minderheitsaktionäre über das gesamte Portfolio und über die Zeit hinweg auszahlen, selbst wenn man die mit Fusionen und Übernahmen verbundenen Unsicherheiten berücksichtigt.
Freundliche Grüsse
Gregor Trachsel
Chief Investment Officer SG Value Partners AG